Märkische Oderzeitung vom 1. Dezember 1998
Bernau. Trübes Wetter herrschte an jenem Dezembertag vor ziemlich genau zwei Jahren. Ein Rentner war in seiner Wohnung zusammengebrochen. Seine Frau alarmierte die Rettngssaniäter, damals mit im Einsatz die beiden Berliner Babak Manssouri und Patrick Marsollek. Ihre Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Der Mann starb. Zu mehr als einem Bedauern kam der Notarzt gegenüber der alten Frau nicht; der nächste Unfall rettete die Lebensretter aus dieser beklemmenden Lage. Ein unwohles Gefühl blieb nach jedem dieser Ereignisse bei den jungen Helfern im Gedächtnis haften. Was her mußte, war eine psycho-soziale Hinterbliebenen Betreuung, ein Kriseninterventionsdienst (KID). Seit gut einem Jahr gibt es die Notfall-SeeIsorger nun als KID Barnim.
Ihre Initiatoren Babak Manssouri und Patrick Marsollek, beide im akuten Rettungsdienst seit mehreren Jahren bei Hunderten von Notrufen Krisenerfahren, waren jedesmal innerlich zerrissen, wenn sie Angehörige eines vor ihren Augen verstorbenen Menschen wieder allein lassen mußten. "Der Gedanke, daß da jemand in der schlimmsten Stunde seines Lebens niemanden hatte, der ihm beistand, beschäftigte uns beide sehr", erzählt der Psychologiestudent Babak Manssouri über die Beweggründe, den seelsorgerischen Dienst ins Leben zu rufen.
Hilfsdienst jetzt auf den ganzen Landkreis ausgedehnt
Mittlerweile wurde das Einsatzgebiet des KID Barnim auf Eberswalde und Joachimsthal und somit auf den gesamten Landkreis Barnim ausgedehnt. Damit existiert der erste landkreisweite seelsorgerische Hilfsdienst Brandenburgs. Möglich wurde das, weil die Caritas im Barnim die Trägerschaft über den KID übernommen hatte. Die kirchliche Organisation unterstützt uns jährlich mit 5000 Mark, womit wir die Kosten für Handys und andere Auslagen bestreiten können", erzählt Manssouri Das freiwillige Engagement stieß vielfach auf Gegenliebe, wie Zuwendungen der evangelischen und katholischen Kirche sowie private Geld und Sachspenden bewiesen. Zudem steckten Manssouri und Marsollek Tausende Mark aus eigener Tasche in das Projekt. Die Zahl der Mitstreiter im KID Barnim, die ausschließlich ehrenamtlich unterwegs sind, hat sich kontinuierlich auf derzeit 25 erhöht. Jeder von ihnen schiebt alle sechs Wochen sieben Tage lang Dienst rund um die Uhr. Für den Bereich Eberswalde könnten wir jetzt noch zwei bis drei Helfer zusätzlich gebrauchen", sagt Manssouri. Ihre soziale Kompetenz zur Opferbetreuung beziehen die Seelsorger aus der eigenen Biographie. Pfarrer beider Konfessionen arbeiten genauso mit wie Streetworker, Krankenschwestern und Rettungssanitäter.
Bis Ende November kamen die Barnimer Trostspender auf 65 Einsätze in den vergangenen zwölf Monaten. Die psychologischen Hilfsangebote würden dankbar aufgenommen, weiß Manssouri. "Viele Menschen, denen wir beistehen, sind froh, daß sich jemand für sie Zeit nimmt. '' Der Student schränkt jedoch ein: Wir können natürlich vor Ort keine Therapie beginnen. Unser Angebot ist immer noch eine reine Akutbetreuung, und das soll auch so bleiben." Neben Hilferufen zu Menschen, deren Angehörige gerade verstorben sind, werden die Barnimer Helfer auch zu Selbstmordgefährdeten, zu Vergewaltigungsopfern, zu Brand- und Erschießungsopfer- Angehörigen gerufen. Entscheidend sei, sagt Manssouri, daß die KID-Mitarbeiter beiter fast so schnell wie die Notärzte selbst am Einsatzort sind. Denn die seelische Krise der Opferangehörigen entsteht in den ersten Momenten eines Notfalls." In dieser Situation dürften die Betroffenen einfach nicht allein gelassen werden.
Der Kriseninterventionsdienst im Barnim ist keine Erfindung des Duos Marsollek/Manssouri . In den alten Bundesländern existiert seit Jahren ein enges Netz dieser fürsorglichen Hilfe. Hierzulande steckt man erst in den Kinderschuhen. Außer im Barnim kümmern sich Notfallseelsorger in Brandenburg an der Havel um Hinterbliebene. Drei kleinere Initiativgruppen gibt es in Neuruppin, Frankfurt/Oder und Cottbus.
Immer häufiger nutzen auch die Lebensretter selbst die Möglichkeit, seelsorgerisch nach schwierigen Einsätzen betreut zu werden. Das gehört mehr und mehr zu unseren Aufgaben", erklärt Manssouri. Auch die hartgesottensten Kerle unter Sanitätern oder Feuerwehrleuten wollen ihre Ängste aus den hinter ihnen liegenden Einsätzen ansprechen, um sie auf diese Weise besser zu bewältigen.
Weitere Infos zum KID Barnim gibt es unter Tel.: 030 / 394 99 33.© Märkische Oderzeitung 1998
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