Presseartikel der Krisenintervention und Notfallseelsorge in Barnim / Brandenburg.
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Der Tagesspiegel vom 17. November 1998

Zigaretten und Kaugummi im Krisenrucksack

Barnimer Notfallseelsorger bleiben, wenn Polizisten und Feuerwehrleute weiter müssen

Von Tobias Arbinger

Biesenthal. Ein Einsatz des Deutschen Roten Kreuz in Bernau. Ein älterer Mann ist zu Hause umgefallen. In der Wohnung stellt der Notarzt den Tod des Mannes fest: Herzstillstand. Der Notarzt muß der Witwe die Nachricht mitteilen. Dann piept das Funkgerät: der nächste Notfall, die Retter müssen weiter. "Wir waren froh, daß wir uns in den nächsten Einsatz flüchten konnten", erzählt Babak Manssouri, der damals dabei war.

Das Erlebnis Ende 1996 hat ihn erschüttert. Wenig später gründet der 28 Jahre alte Berliner Psychologiestudent den Kriseninterventionsdienst Barnim (Kid), die einzige Notfallseelsorge des Landes, die einen ganzen Landkreis abdeckt. Mittlerweile 25 Sozialarbeiter, Pfarrer, Krankenschwestern und Sanitäter gehören ihm an, zwei sind immer in Bereitschaft. Wenn bei der Barnimer Rettungsleitstelle ein Notruf eintrifft, bei dem Menschen neben Notarzt oder Polizei auch seelischen Beistand brauchen, rufen sie die Leute vom Kid. Sie wollten "Brücken bauen", dafür sorgen, daß Opfer in den schlimmsten Stunden nicht allein sind, das soziale Netz von Betroffenen aktivieren, sagt Manssouri.

Bei etwa jedem dritten Einsatz müssen die Kid-Helfer eine "Todesnachricht" übermitteln - Angehörige informieren, wenn ein Mensch einem Verbrechen zum Opfer gefallen oder bei einem Verkehrsunfall umgekommen ist. Der Kid-Bereitschaftsdienst begleitet die Polizei, die die Nachricht von Rechts wegen überbringen muß. Die Beamten sagten "herzliches Beileid" und müßten dann meist schnell weg, sagt Manssouri. Kid-Leute in grünen Westen mit der Aufschrift "Betreuer" bleiben, bis ein Freund oder ein Verwandter gefunden ist.

Regelmäßig werden die ehrenamtlichen Helfer gerufen, wenn jemand droht, sich das Leben zu nehmen. Selbstmordankündigungen seien "Hilferufe", sagt Manssouri. Eine "Schulter zum Ausweinen" könne da schon helfen, die Situation zu entspannen. Auf Hausdächern oder Baukränen bauen die Notfallseelsorger, "eine Beziehung auf". Dabei helfen Kaugummi, Bonbons und Zigaretten - Bestandteile des Kid-Krisenrucksacks.

Seit einem Jahr ist der Kriseninterventionsdienst in ganz Barnim unterwegs. Rund 60mal wurden die Seelsorger in dieser Zeit zu Notfällen gerufen. Bei einem schweren Unfall war ein Beifahrer zu betreuen - der Fahrer war in dem Wrack gestorben. Einmal mußten sie sich um eine Mutter kümmern, deren Kind dem plötzlichen Kindstod erlag, ein anderes Mal um Menschen, die Angehörigen erhängt fanden.

Die meisten Kid-Mitarbeiter haben durch ihren Hauptberuf Erfahrung mit Notfällen. Zusätzliches Know-How erwerben sie in Seminaren. Zudem halten sie Kontakt zu anderen Notfallseelsorgern, beispielsweise in Bayern.

© Der Tagesspiegel 1998

 

 

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http://www.krisenintervention-notfallseelsorge.de/pages/presse11.html Last update: 08.06.2009




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