Katastrophe in Chorin zum Glück nur Übung

Eberswalde (rg) - Samstagmorgen kurz vor 8 Uhr am Bahnhof Chorin: Der Lokführer des Regionalzuges nach Angermünde hat wegen falscher Signalstellung und trotz Notbremsung eine Kollision mit einem Reisebus nicht verhindern können. Minuten später sind die ersten Wehren des Amtes Britz-Chorin an der Unglücksstelle.

"Bahn 98" heißt die Katastrophenschutzübung, die der Landkreis Barnim im Zusammenwirken mit der Deutschen Bahnn AG organisiert hat. Im Einsatz sind rund 150 Personen und 40 Fahrzeuge. Übungsalarm gibt es für die Feuerwehren von Eberswalde, Sandkrug, Chorin, Serwest, Groß-Ziehten, Brodowin, Joachimsthal, Britz, Chorin und später von Neuehütte. Alarmiert werden außerdem der Notfallmanager der Deutschen Bahn des Netzbezirks Angermünde, der Katastrophenschutz, Polizei und Bundesgrenzschutz.

Als die ersten Rettungskräfte eintreffen, bietet sich eine wirklichkeitsnahe nachgestaltete Kulisse. Das gesamte Bahnhofsgelände ist vernebelt, Schrei dringen aus dem Bus und einem Personenwagen. Perfekt geschminkte Darsteller der Landespolizeischule simulieren jegliche Arten von Verletzungen. Kräfte der Feuerwehr bergen Unfallopfer aus dem Bus, die Verletzten im Personenwagen werden offentsichtlich recht spät geborgen.

Die Kräfte des Katastrophenschutzes verursachen zeitweilig einen Verkehrsstau auf der Bundesstraße, weil es mit der Einweisung auf der Landstraße nicht weitergeht. Die ist von abgestellten Löschfahrzeugen verstellt. Ein leckgeschlagener Güterwagen weist Gefahrgut x80-2790 (Essigsäure) aus. Der Kesselwagen ist mit brennbarer Flüssigkeit gefüllt. Durch den Unfall ist auch eine Fahrleitung gerissen.

Die technische Einsatzleitung übernimmt Kreisbrandmeister Gerhard Grünberg im Zusammenwirken mit den Leuten der Bahn. Der Leitende Notarzt Dr. Gerd Hartmann registriert inzwischen etwa 35 Schwer- und Leichtverletzte.

Krisenintervention besteht ihre Feuertaufe

Seine Feuertaufe hat an diesem Tag der Kriseninterventionsdienst (KID), der seit dem 5. Oktober auch im Altkreis Eberswalde tätig ist. Fünf Leute des Dienstes, zwei Pfarrer, Schwestern und Rettungssanitäter, zu erkennen an ihren grünen Westen und dem Einsatzrucksack, sind vor Ort. Sie sollen die Unfallopfer betreuen, sich um Angehörige kümmern und Hilfe für die Rettungskräfte und die Polizei nach psychisch belastenden Einsätzen geben.

Leiter der gesamten Übung ist Thomas Engel, Dezernent der Kreisverwaltung. Die Schiedsrichter Dieter Weißkopf (Feuerwehr) und Michael Schulz (Rettungsdienst) haben zu Beginn allerhand zu notieren.

Die aus dem Gefahrgutwagen auslaufende Essigsäure wird inzwischen durch Einsatz von Wasserschleier verdünnt, der Kesselwagen erhält prophylaktisch einen Schwerschaumteppich. Noch bevor die schriftliche Freischaltung der 15000 Volt Fahrleitung von der Bahn vorliegt, arbeiten Feuerwehrleute mit Wasser. Sicherheitshalber war allerdings schon vor Beginn der Übung eine Erdung der Oberleitung vorgenommen worden.

Später wird auch noch der Hilfszug der Deutschen Bahn aus Pasewalk in Marsch gesetzt, der mit seinen technischen Möglichkeiten in der Lage ist, aus den Schienen gesprungene Fahrzeuge bis zu 120 Tonnen Gewicht wieder in die Gleise zu heben.

Die schwerste Arbeit an diesem Vormittag haben die jungen Sanitäterinnen und Sanitäter der Einsatzgruppen zu leisten. Sie müssen die Verletzten über das matschige Gelände transportieren, in die Behandlungspunkte verlegen und zum Hubschrauber bringen.

Die Auswertung von Thomas Engel war kurz: Nach gewissen Anlaufschwierigkeiten hat sich die Übung gut entwickelt und ihre Zielstellung erreicht. Eine abschließende Auswertung der Übung soll es am Dienstag, 3. November, in der Feuerwache geben.

© Märkische Oderzeitung 1998